
Fast 34 Jahre ist die deutsche Wiedervereinigung her. Während es vorher mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland (BRD) über 40 Jahre lang zwei deutsche Staaten gab, gibt es seit 1990 nur noch einen. Doch was hat dieser Prozess mit dem Sport gemacht? Wie hat sich der Sport in den ehemaligen Teilen der BRD und DDR in den letzten 34 Jahren entwickelt? Und welche Rückschlüsse können wir für die Zukunft daraus ziehen?
Sport in der DDR
Vielen Sportkennern ist die DDR als große Sportnation der 1970er- und 1980er-Jahren im Gedächtnis geblieben. Sämtliche Goldmedaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften konnten sich die DDR-Sportlerinnen und -Sportler erkämpfen. Für den Erfolg setzte die Regierung der DDR um Erich Honecker und Walter Ulbricht alles auf eine Karte. Ein staatlich geleitetes Sportsystem gepaart mit einer immensen Sportförderung. Alles, um bei den Olympischen Spielen besser abzuschneiden als der Klassenfeind, die BRD.
Das ganze Sportsystem war ausgerichtet auf den Leistungssport. Kinder- und Jugendsportschulen wurden errichtet, Leistungssportkonzepte geschrieben und die Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig als weltweit anerkannte Trainer- und Kaderschmiede gebaut. All das zahlte sich aus. Der „kleine“ Staat gewann mehr an Anerkennung in der Welt und trat so u. a. 1973 den Vereinigten Nationen (UNO) bei. Der ganze Erfolg hatte allerdings auch einen großen Schatten. Staatsdoping heißt das Stichwort. Mindestens 10.000 Hochleistungssportler und -sportlerinnen waren davon betroffen. 2.000 Betroffene trugen schwere Schäden davon und leiden teils noch heute (Schültke, 2015).
Sport in der BRD
Die Bundesregierung verfolgte in den 1960er- und 1970er-Jahren den „Goldenen Plan“. Nach dem zweiten Weltkrieg wollte man die kritische gesundheitliche Lage der westdeutschen Bevölkerung und den großen Fehlbestand an Sportstätten beseitigen. Von 1960 bis 1975 investierte man deshalb 17,4 Milliarden D-Mark in den Bau neuer Sportstätten. Der „Goldene Plan“ wurde Ablauf der ersten 15 Jahre ausgebaut, sodass für weitere 15 Jahre noch einmal 20 Milliarden D-Mark in die deutsche Sportinfrastruktur gesteckt wurden (Mevert, o. J.).
Durch die hohen Investitionen profitierte nicht nur der Leistungssport, sondern vor allem der Breitensport. Sämtliche Turn- und Sportvereine wurden gegründet, der Breitensport boomte und die Anzahl der Sportarten vervielfachte sich. Trendsportarten wie Skateboarding oder Fitnesssport setzten sich in den 1980er-Jahren großflächig durch. Noch heute profitieren die ehemals westdeutschen Bundesländer vom „Goldenen Plan“.
Sport-Deutschland nach der Wende
Die Zeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung war eine Zeit, in der alle Gefühle zusammenkamen. Während die „alten“ Bundesländer weniger Anpassungsprobleme hatten, brach in den „neuen“ Ländern das ganze Sportsystem zusammen. Wo vorher noch Betriebe die Sportvereine großzügig unterstützten und der Staat überdimensional den Sport subventionierte, lösten sich fortan immer mehr „Betriebssportgemeinschaften“ auf und verließen immer mehr Menschen die Sportvereine. Wie sollte man damit umgehen? Wie reagiert man auf diese Umstände? Fragen, auf die Sport-Funktionäre eine Antwort finden mussten.
Ein großer Schritt war am 28. Juni 1990 die Zusammenführung des Deutschen Sportbundes (DSB) und des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB). In der Folgezeit schlossen sich auch die einzelnen Sportverbände zusammen, wie z. B. im Fußball oder Handball. Durch die „Verschmelzung“ zweier Sport-Nationen folgte bei den Olympischen Winterspielen 1992 auch prompt der 1. Platz im Medaillenspiegel. Doch gerade in den ostdeutschen Bundesländern hatte die Umstellung des Sportsystem große negative Auswirkungen, die bis heute zu spüren sind (Jacobi, 2022).
Sport-Deutschland im Jahre 2024
Jedes Jahr zum 01.01. fordern die Landessportbünde der jeweiligen Bundesländer die Mitgliederzahlen von den Sportvereinen ab. Dadurch kann u. a. festgestellt werden, wie viele Mitglieder die einzelnen Vereine gewonnen bzw. verloren haben. Diese Zahlen lassen sich dann für Landkreise, Bundesländer und Deutschland zusammenfassen. Dividiert man die Gesamtzahl der Vereinsmitglieder durch die Gesamtbevölkerung, so erhält man den Organisationsgrad. So beträgt der Organisationsgrad z. B. im Landkreis Uckermark 14,94 %. Das heißt, das 14,94 % der Uckermärkischen Bevölkerung Mitglied in einem Sportverein sind (LSB Brandenburg, 2024).
Vergleicht man nun den Organisationsgrad der „Ostdeutschen“ Bundesländer mit den „Westdeutschen“, so lässt sich ein großer Unterschied festhalten. Während im Osten durchschnittlich 17,3 % der Bevölkerung im Sportverein organisiert sind, waren 2023 rund 37,8 % Vereinsmitglied (DOSB, 2023). Eine Differenz von mehr als 20 %! Die Gründe dafür sind vielfältig. Einige davon habe ich bereits, wie z. B. der Rückzug der Betriebe. Hinzu kommt, dass die DDR kaum den Breitensport gefördert hatte und den Sportstättenbau vernachlässigte. Zwei wesentliche Elemente, weshalb wir heute da stehen, wo wir stehen.
Wie könnte die Zukunft aussehen?
Fast 34 Jahre nach der Wiedervereinigung klafft eine große Lücke zwischen den west- und ostdeutschen Bundesländern im Spor. Nicht nur im Breitensport, sondern auch im Leistungssport. Schaut man sich die Bundesligen in Fußball, Handball, Basketball oder Volleyball an, finden sich nur ganz wenige Sportvereine aus Teilen des Ostens. Um diese Diskrepanzen zu verkleinern, braucht es einen neuen Masterplan für den Sport und eine klare Vision.
Welche Maßnahmen könnte man dafür ergreifen? Zum Beispiel die Entwicklung von integrierten Sportentwicklungsplänen in den Kommunen, großflächige Förderprogramme für den Sportstättenbau oder die Installierung eines eigenständigen Ministeriums für Sport. Gerade durch einen innovativen und bedarfsgerechten Sportstättenbau könnten enorme Potenziale für den Breiten- und Leistungssport freigesetzt. Besonders im Osten würden so viele Sportstätten ertüchtigt werden und den Vereinssport wachsen lassen.
Quellen:
Deutscher Olympischer Sportbund e.V. (2023). Bestandserhebung 2023. Zuletzt aufgerufen am
30.08.2024 unter https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/Bestandserhebung/Bestandserhebung_2023.pdf
Jacobi, W.-D. (2022). Der Wandel im Sport. Zuletzt aufgerufen am 30.08.2024 unter https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/506012/der-wandel-im-sport/
Landessportbund Brandenburg. (2024). Kreissportbund Uckermark e.V. Zuletzt aufgerufen am 30.08.2024 unter https://lsb-brandenburg.de/mitglieder/kreis-und-stadtsportbuende/kreissportbund-uckermark-e-v/
Mevert, F. (o. J.). Goldener Plan und Zweiter Weg. Zuletzt aufgerufen am 30.08.2024 unter http://www.kinder-bewegen.de/fileadmin/images/Interaktiv/OF/Leseproben/Goldener_Plan_und_Zweiter_Weg_.pdf
Schültke, A. (2015). Der Kampf gegen die Zeit. Zuletzt aufgerufen am 30.08.2024 unter https://www.deutschlandfunk.de/ddr-dopingopfer-der-kampf-gegen-die-zeit-100.html
Teilen über:
Die neuesten Beiträge:




Schreibe einen Kommentar