Die Olympischen und Paralympischen Spiele stehen vor der Tür und sind in diesem Jahr das wohl größte Sportevent noch vor der Fußball-Europameisterschaft. Vom 26. Juli bis 8. August trifft sich die Welt des Sports nach genau 100 Jahren wieder in Paris. Die Zahl 100 löst auch in Deutschland eine große Sehnsucht aus. Vielleicht kommen 2036 die Olympischen Spiele wieder nach Berlin, 100 Jahre nach den ersten Spielen unter den Augen von Adolf Hitler. Doch macht es überhaupt Sinn, eine Olympiade in Deutschland auszurichten? Und sind wir als Nation überhaupt dafür bereit? Diesen Fragen wollen wir in diesem Beitrag auf den Grund gehen.

Die Olympischen Sommerspiele in Paris vom 26. Juli bis 8. August 2024 (DOSB, 2024).

Es gibt viele Menschen, die gar nicht mehr wissen, was die Olympischen Spiele überhaupt sind und wo der Ursprung liegt. Wie immer, wenn es um relevante Themen geht, lohnt sich deshalb ein Blick in die Vergangenheit. Für die Olympischen Spiele müssen wir sogar ins Jahr 776 vor Christus gehen. Der Ursprung der Großsportveranstaltung liegt im griechischen Olympia. Der Mythos besagt, dass der Halbgott Herakles zu Ehren seines Vaters Zeus die Spiele ins Leben gerufen hat. Im genannten Jahr gab es dann die ersten Spiele mit einem Stadionlauf. Stadion ist eigentlich eine altgriechische Maßeinheit und entspricht 192,28 Meter. Mit den Jahren kamen dann weitere Sportarten wie Faustkampf, Diskuswurf und Ringen hinzu (Wiechers & Aufmkolk, 2021).

Die Sieger ernteten viel Ruhm und brauchten fortan keine Steuern mehr zu zahlen. Das verführte allerdings so manch einen zu Doping und Bestechung, sodass aufgrund vieler Betrugsfälle die Bedeutung der Spiele sank. Hinzu kam der größer werdende römische Einfluss mitsamt dem christlichen Glauben, sodass der griechische Götterglaube immer mehr an Wert verlor. Schließlich verbot der römische Kaiser Theodosius im Jahre 394 nach Christus die Spiele. 1.500 Jahre dauerte es, bis ein gewisser Pierre de Coubertin den Olympischen Gedanke wiederaufleben lassen wollte. So wurde 1894 das Internationale Olympische Komitee (IOC) gegründet und nur zwei Jahre später die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen veranstaltet. Zunächst nur für Männer, in den Olympiaden danach auch für Frauen (Wiechers & Aufmkolk, 2021).

Olympische Charta: Die Basis des Sports

Coubertin hielt seine Gedanken auf wenigen Zetteln fest und verfasste das wohl wichtigste Dokument für den heutigen Sport. Es führt nicht nur die grundlegenden Prinzipien und Werte des Olympismus auf, sondern erläutert auch ganz genau die Olympische Idee. „Olympismus ist eine Lebensphilosophie, die in ausgewogener Ganzheit die Eigenschaften von Körper, Wille und Geist miteinander vereint und überhöht. Durch die Verbindung des Sports mit Kultur und Bildung sucht der Olympismus, einen Lebensstil zu schaffen, der auf der Freude an Leistung, auf dem erzieherischen Wert des guten Beispiels, der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit sowie auf der Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien aufbaut.“, steht ist in der Charta geschrieben (Vedder & Lämmer, 2013).

Ziel der Olympischen Bewegung ist der Aufbau einer friedlichen und besseren Welt. „Die Ausübung von Sport ist ein Menschenrecht. Jeder Mensch muß die Möglichkeit zur Ausübung von Sport ohne Diskriminierung jeglicher Art und im olympischen Geist haben; dies erfordert gegenseitiges Verstehen im Geist von Freundschaft, Solidarität und Fairplay.“ Dabei sollen die Prinzipien der Autonomie und politischen Neutralität von den Sportorganisationen, wie z. B. dem DOSB, immer gewahrt werden (Vedder & Lämmer, 2013). Pierre de Coubertin hat 1908 die ersten Bestimmungen aufgeschrieben, doch haben sie auch 116 Jahre später kaum an Bedeutung verloren. Im Gegenteil. Sie sind wichtiger denn je.

Der Olympische Gedanke im Jahre 2024

Heutzutage sind die Olympischen und Paralympischen Spiele die mit Abstand wichtigsten Sportveranstaltungen für alle Sportler und Sportlerinnen. Im Zyklus von vier Jahren trainieren sie nur auf Olympia hin und wollen dort im besten Falle eine Goldmedaille gewinnen. Doch wenn Athleten und Athletinnen aus über 200 Nationen kommen, geht es um weit Größeres als Medaillen. Wie in der Charta geschrieben, soll die Freude an der Leistung, der Freundschaft, der Solidarität und des Fairplays im Vordergrund stehen. Für zwei Wochen steht der friedliche Gedanke des Sports und des Miteinanders im Vordergrund.

Während man in den meisten Nationen der Olympiade entgegenfiebert, ist in Deutschland eine eher kritische Denkweise festzustellen. Auf der einen Seite gibt es zurecht Vorwürfe gegenüber dem Gigantismus der Spiele (Rieger, 2022). Immer mehr Sportarten sind Teil der Bewegung, für die immer mehr Sportstätten gebaut werden müssen. Allerdings liegen diese anschließend, wie z. B. in Rio den Janeiro (Olympia 2016), brach oder verkümmern. Oder es wird auf die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking verwiesen, für die ganze Dörfer verlegt wurden, nur um eine Skisprungschanze und Biathlonarena in den Hang zu bauen. Der IOC steht dabei oft im Mittelpunkt der Kritik, wobei das Komitee an diesen Vorwürfen arbeitet. Auf der anderen Seite verliert der Olympische Gedanke in Deutschland immer mehr an Bedeutung, was auch an der mangelnden Berichterstattung und Rücksicht im Schulunterricht festzustellen ist. Macht es dann überhaupt noch Sinn, Olympische Spiele in Deutschland zu veranstalten?

PRO Olympia in Deutschland

Deutschland kann Großsportveranstaltungen durchführen. Das zeigen die Welt- und Europameisterschaften in den verschiedenen Sportarten der vergangenen Jahre. Sei es die Handball-WM 2023, die Special Olympics 2023 oder die bevorstehende Fußball-EM in diesem Jahr. Die Standorte Berlin, München oder die Rhein-Ruhr-Region zeigen Jahr für Jahr, dass sie bestens für Veranstaltungen dieser Größenordnung organisiert sind. Auch aus Sicht der Sportentwicklung wären Olympische Spiele in Deutschland sehr wünschenswert. Der Sport wäre im Vorfeld der Spiele in der Öffentlichkeit viel präsenter und würde so an Bedeutung gewinnen.

Politik, Wirtschaft und Verwaltung würden sich mehr mit dem Sport beschäftigen, womit vor allem der massive Investitionsstau der Sportsstätten von 31 Milliarden Euro in den Vordergrund rücken würde. Viele Sporthallen oder Stadien wurden schon seit über 50 Jahren nicht mehr saniert oder modernisiert. Außerdem würde die Olympiade eine Euphorie in der Nation auslösen, wie es sonst nur die Welt- oder Europameisterschaft im Fußball erreichen würde. Die Begeisterung für den Sport und den vielen verschiedenen Sportarten würde steigen, die Mitgliederzahlen in den Sportvereinen würde kräftig hochgehen. Sportstätten würden ertüchtigt und anschließend vielfältig genutzt werden. Rosige Aussichten für den deutschen Sport.

CONTRA Olympia in Deutschland

In den letzten 30 Jahren gab es bereits Bemühungen um Olympia-Bewerbungen, die allerdings allesamt gescheitert sind. Sydney statt Berlin (2000), London statt Leipzig (2012), Pyeongchang statt München (2018), Peking statt München (2022) und Paris statt Hamburg (2024). Während man für Olympia 2000 zu wenig Unterstützung aus der Politik hatte und die Kampagne eher mangelhaft gestaltet war, wurden die beiden letzten Bewerbungen für München 2022 und Hamburg 2024 durch die Bevölkerung abgelehnt (dpa, 2021). Gründe der Bürger und Bürgerinnen waren der Gigantismus der Spiele und die Furcht um die Missachtung des Umwelt- und Naturschutzes.

Ein weiterer Grund ist außerdem, dass die deutsche Bevölkerung gar nicht mehr weiß, was hinter dem Olympischen Grundgedanke steckt. Warum gibt es eigentlich Olympia? Wer war der Urvater des Ganzen? Und mit welcher Idee dahinter? Alles Fragen, die an unseren Schulen weder gelehrt noch irgendwie sichtbar sind. Auch hat man das Gefühl, dass man aus den vergangenen gescheiterten Werbekampagnen nichts gelernt hat. Oder habt ihr schon von der Kampagne „DEINE SPIELE. DEINE IDEEN.“ gehört? Es gab bereits Fachtalks mit Experten und Expertinnen aus Sport, Wissenschaft und Politik, die digital übertragen wurden (Schültke, 2023). Die Resonanz an Zuschauer und Zuschauerinnen war eher mickrig. Begeisterung für Olympia sieht anders aus.

Olympia in Deutschland eher unrealistisch

Olympische Spiele in Deutschland wären eine schöne Vorstellung, doch liegen sie momentan in weiter Ferne. Nicht nur aufgrund der genannten Contra-Punkte, sondern auch wegen der sinkenden sportpolitischen Bedeutung Deutschlands. Nur zwei Weltverbände werden noch von Deutschen geführt. Während vor einigen Jahrzehnten vorwiegend die europäischen Länder und die USA über Sportentwicklung in der Welt entschieden konnten, werden die asiatischen und afrikanischen Nationen immer bedeutender. Die multipolare Weltordnung macht auch vor dem Sport nicht halt.

Olympische Spiele in Deutschland scheinen also immer unrealistischer, doch hält der DOSB weiter an der Idee fest. Wünschenswert wäre es, wenn man sich intensiver um dringendere Themen kümmern würde, wie z. B. der Stärkung des Schulsports und der Bekämpfung der gesellschaftlichen Gesundheitsprobleme wie Bewegungsmangel, erhöhter Medienkonsum und Drogenmissbrauch. Dafür wäre ein stärkeres, unabhängigeres Standing des DOSB in der Politik von Nöten. Man wäre gut beraten, zuerst die Schwachstellen abzubauen und die Stärken zu stärken. Erst wenn der deutsche Sport vereint, stark und unabhängig auftritt, dürfen wir über Olympische Spiele in Deutschland nachdenken.

Quellen

Deutsche Presse-Agentur. (2021). Deutsche Olympia-Bewerbungen: Serie des Scheiterns. Aufgerufen am 16.05.2024 unter https://www.sueddeutsche.de/politik/sportpolitik-deutsche-olympia-bewerbungen-serie-des-scheiterns-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210225-99-591665

Deutscher Olympischer Sportbund. (2024). Paris 2024. Aufgerufen am 16.05.2024 unter https://www.dosb.de/leistungssport/olympische-spiele

Rieger, M. (2022). Olympische Spiele sollen nach Deutschland kommen. Aufgerufen am 16.05.2024 unter https://www.deutschlandfunk.de/dosb-konzept-olympia-bewerbung-100.html

Schültke, A. (2023). Ist Deutschland bereits für eine Olympia-Bewerbung? Aufgerufen am 14.05.2024 unter https://www.deutschlandfunk.de/olympische-spiele-deutschland-100.html

Vedder, C. & Lämmer, M. (2013). Olympische Charta 2014. Aufgerufen am 16.05.2024 unter https://www.doa-info.de/images/PDF/Olympische_Charta_2014.pdf

Wiechers, N. & Aufmkolk, T. (2021). Geschichte der Olympischen Spiele. Aufgerufen am 14.05.2024 unter https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/sport/geschichte_der_olympischen_spiele/index.html

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