Der Sport steht für Vielfalt, soziales Miteinander und Teilhabe. Viele Menschen, egal welchen Geschlechts oder welcher Herkunft, finden im Sportverein neue Freunde und fühlen sich willkommen. So der öffentliche Tenor und die Wunschvorstellung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dem obersten Sportbund in Deutschland. Doch leider ist der Sport gar nicht so offen und sozial, wie er sich immer gibt. In diesem Beitrag sollen die Probleme beleuchtet werden, warum die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund nicht vollumfänglich funktioniert und welche Entwicklungspotenziale Sportvereine und Sportverbände hinsichtlich ihrer Möglichkeiten haben.
Deutschland ist nicht nur seit den Flüchtlingsbewegungen 2015 ein Einwanderungsland. Schon zu BRD- und DDR-Zeiten profitierten beide deutschen Nationen von der Einwanderung türkisch, italienisch oder vietnamesisch stämmiger Gastarbeiter und -arbeiterinnen. Mittlerweile leben in Deutschland 28 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund. Jede 4. Person hat also ein anderes Herkunftsland bzw. deren Eltern (BPB, 2023). Das sind beachtliche Zahlen, die in den nächsten Jahren vermutlich noch steigen werden. Demzufolge muss sich nicht nur die Politik, sondern die gesamte deutsche Gesellschaft mit den Themen Migration, Integration und Inklusion weiter beschäftigen.
Natürlich ist auch der Sport gefragt. Laut dem Sportentwicklungsbericht spielen das Engagement für Menschen mit Migrationshintergrund und für Flüchtlinge in Sportvereinen eine sehr untergeordnete Rolle (Breuer & Feiler, 2021). Anscheinend schauen viele Sportvereine weg und wollen Migranten und Migrantinnen nicht partizipieren lassen. Hinsichtlich der genannten Zahlen und möglichen Entwicklungen, muss sich in Zukunft aber auch der letzte Verein damit auseinandersetzen. Wenn Sportorganisationen sich als offen, integrativ und sozial bezeichnen, müssen sie diese Eigenschaften auch vorleben.
Natürlich gibt es viele Herausforderungen, wie z. B. sprachliche Barrieren, kulturelle Hintergründe und Klischees, die sich leider tief in unseren Köpfen verankert haben. Aber auch für diese Hemmnisse gibt es Wege und Lösungen. Im Folgenden sollen die Chancen von Integration für den Sport klar herausgestellt und Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden.
Willkommenskultur schaffen
Viele geflüchtete Menschen haben mit teils traumatischen Kriegs- und Flüchtlingserfahrungen zu kämpfen, unter denen besonders viele Kinder und Jugendliche sind. 2/3 der Asylsuchenden sind 24 Jahre oder jünger (BPB, 2023). Für jedes Gift gibt es aber bekanntlich auch ein Gegengift. Was könnte besser wirken als Sport und Bewegung? Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, wie schmerzhaft es für manche ist, über das Erlebte überhaupt zu reden, geschweige denn zu verarbeiten. Was die Asyl- und Schutzsuchenden am wenigsten brauchen, sind ausländerfeindliche und diskriminierende Begegnungen. Deshalb es ist so wichtig, dass Sportvereine sich interkulturell öffnen und das Sporttreiben für geflüchtete Menschen ermöglichen.
Eine Öffnung beinhaltet das Schaffen einer „Willkommenskultur“, in der sich jeder „willkommen“ fühlt, der zum ersten Mal mit dem jeweiligen Sportverein in Kontakt kommt. Man kennt es doch selber, wenn man in eine neue Heimat ziehen oder den Verein wechseln möchte. Zunächst ist alles neu, ungewohnt und vielleicht sogar beängstigend. Manchmal ist die Hemmschwelle sogar so groß, dass der Eintritt in den Verein erst gar nicht stattfindet. Gerade bei denjenigen, die die Sprache noch nicht perfekt beherrschen, ist die Scheu dann doch zu groß. Genau deshalb ist es so wichtig, die ersten Schritte im neuen Sportverein so angenehm und „barrierearm“ wie möglich zu gestalten.
Partizipation und Teilhabe ermöglichen
Strukturelle oder personelle Probleme in Sportvereine hemmen oftmals nicht nur den Sportverein selbst, sondern am Ende auch das Gewinnen neuer Mitglieder. Es spricht sich schnell herum, ob ein Vorstand offen und sozial ist oder das genaue Gegenteil. Umso schwieriger wird es auch, attraktiv für junge geflüchtete Menschen zu sein und sie als Vereinsmitglieder zu akquirieren. Interessant ist auch der Fakt, dass etwa jede 2. Person ohne Migrationshintergrund sich ehrenamtlich engagiert, während es bei Menschen mit Migrationsgeschichte nur jede 4. Person ist (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2021).
Neben der fehlenden Offenheit, sind auch die fehlenden Möglichkeiten der Partizipation und Teilhabe entscheidende Hürde. Die Vorstände müssen sich fragen, ob sie ihre Mitglieder überhaupt binden und zufriedene Mitglieder haben wollen? Wenn ja, muss sich die Kommunikation und Wertschätzung unbedingt ändern. Wenn diese Punkte bei den Einheimischen nicht funktionieren, wie soll das dann erst bei den Geflüchteten sein? Kurzum: Sportorganisationen müssen ihr Hauptaugenmerk besonders auf die Kommunikation und Partizipation der Mitglieder lenken und vor allem hinsichtlich unserer Thematik auch für Migranten und Migrantinnen die Voraussetzung zur Teilhabe schaffen.
Potenziale von Integration nutzen
In vielen Organisationen werden neue Strukturen oder junge Leute mit frischen, neuen Ideen gefordert. Zu alt und zu verkrustet sind doch die Denkweisen in einigen Sportvereinen oder Sportverbänden. Gerade durch die vielen jungen geflüchteten Menschen ergeben sich doch viele neue Möglichkeiten für Sport- und Bewegungsangebote und das gesellschaftliche Miteinander. Neue Kulturen, neue Lebenseinstellungen und neue Ideen. Leider stoßen diese mit der deutschen Mentalität oft aneinander. Deshalb sind die deutschen Sportvereine gefragt, ihre Stereotypen abzulegen und die Chancen zu sehen.
Unter den vielen jungen Geflüchteten sind eventuell Sportler oder Sportlerinnen, die durch ihr sportliches Talent die Mannschaften verbessern können. Der ein oder andere hat in seinem Heimatland z. B. Lehramt oder Naturwissenschaften studiert und kann mit seinen Kompetenzen den Verein weiterhelfen. Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits länger im Verein tätig sind, können bei der reibungslosen Aufnahme weiterer Personen helfen. Es gibt so viele Potenziale, die durch die Integration entstehen. Man muss sie als Verein nur erkennen und nutzen.
DOSB-Programm „Integration durch Sport“
Habt ihr als Sportverein schon einmal was vom Programm „Integration durch Sport“ gehört? Dieses Programm wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) entwickelt und gibt es schon seit 1989. Seit nunmehr 35 Jahren versucht der DOSB deutsche Sportvereine zu fördern, die sich mehr um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund kümmern möchten, aber vielleicht nicht die notwendigen Ressourcen haben. 2022 wurden dadurch über 1.800 Sportvereine finanziell gefördert und ca. 3.500 Sportgruppen. Man kann sich dadurch auch Sportgeräte fördern lassen, Übungsleiterhonorare und sogar den Bundesfreiwilligendienst von jungen Leuten (Bundesministerium des Innern und für Heimat, 2024).
Es gibt noch viele weitere Förderprogramme, aber das Projekt „Integration durch Sport“ zeigt wunderbar, welche Möglichkeiten für Sportvereine geschaffen werden. Selbst wenn man kein Vorwissen hat, wie man Sport- und Bewegungsangebote für Geflüchtete schafft, besteht die Möglichkeit der Fachberatung. Als Vorstand oder Abteilungsleitung verkrampft man sich des Öfteren mal zu sehr in interne Projekte. Deswegen ist es ratsam, auch mal einen Schritt zurückzugehen und über den Tellerrand hinauszuschauen. Gerade wenn man noch gar keine Berührungspunkte mit Migration oder Integration hat, ist eine Beratung mit Experten der Landessportbünde oder deren Sportjugenden oft hilfreich.
Jeder Sportverein ist gefragt
Wenn geflüchtete Personen in einen Sportverein gehen, ist der Weg in sogenannte „Migrationssportvereine“ oft der erste Weg. Club Italia, TuS Makkabi, SD Croatia, Türkgücü oder FC Internationale sind gängige Vereinsnamen in den Großstädten Deutschland. Dort ist ihre Community und dort wird die Heimatsprache weitergepflegt, wodurch entscheidende Barrieren wegfallen (Breuer & Wicker, 2010). In Großstädten mag das vielleicht gehen, aber in kleineren Städten gibt es eher weniger bis gar keine „Migrationssportvereine“ nicht. Deshalb ist jeder Sportverein gefragt, gerade im ländlichen Raum, sich mit dem Thema „Integration im und durch Sport“ auseinanderzusetzen.
Natürlich gilt das auch für die Sportvereine in den Städten. Es gilt letztendlich für alle deutschen Sportorganisationen. Am Ende muss das Ziel für alle sein, die Barrieren abzubauen und Brücken zu Migranten und Migrantinnen aufzubauen. Das Schaffen von Sport- und Bewegungsangeboten kann auch durch Kooperation mit vorhandenen Migrationssportvereinen und Netzwerke möglich werden. Letztendlich muss sich zwangsläufig, auch im Hinblick auf die oben genannten Zahlen, jeder Verein strategisch darauf vorbereiten, wie er sein Engagement für Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlingen steigern kann. Wir müssen unbedingt die Chancen und Entwicklungspotenziale sehen, die damit einhergehen. Nur so kann der Sport seine volle Integrationskraft zeigen, das Motto „Integration durch Sport“ auch vorleben und einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.
Quellen
Breuer, C. & Feiler, S. (2021). Sportvereine in Deutschland: Ergebnisse aus der 8. Welle des Sportentwicklungsberichts. Aufgerufen am 19.03.2024 unter https://cdn.dosb.de/user_upload/Sportentwicklung/Dokumente/SEB/2022/SEB_Bundesbericht_W8_deutsch_bf.pdf
Breuer, C. & Wicker, P. (2010). Migrantensportvereine. Aufgerufen am 20.03.2024 unter https://www.bisp.de/SharedDocs/Downloads/Sportentwicklungsberichte/SEB_2009_2010/Themenberichte_2009_2010/Migrantensportvereine.pdf?__blob=publicationFile
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). (2021). Freiwilliges Engagement in Deutschland. Aufgerufen am 21.03.2024 unter https://www.bmfsfj.de/resource/blob/176836/7dffa0b4816c6c652fec8b9eff5450b6/frewilliges-engagement-in-deutschland-fuenfter-freiwilligensurvey-data.pdf
Bundesministerium des Innern und für Heimat. (2024). Bundesprogramme für mehr Teilhabe und Partizipation. Aufgerufen am 21.03.2024 unter https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/integration/integration-sport/integration-sport-node.html
Bundeszentrale für politische Bildung. (2023). Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Aufgerufen am 19.03.2024 unter https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61646/bevoelkerung-mit-migrationshintergrund/
Bundeszentrale für politische Bildung. (2023). Demografie von Asylsuchenden in Deutschland. Aufgerufen am 21.03.2024 unter https://www.bpb.de/themen/migration-integration/zahlen-zu-asyl/265710/demografie-von-asylsuchenden-in-deutschland/


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