Der Begriff „Inklusion“ wird heutzutage fast schon inflationär benutzt und oft in einem Topf mit Integration geworfen. Es ist aber wichtig, diese Begriffe zu unterscheiden. Noch wichtiger ist es, wie Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft gelingen kann. Der Sport spielt dabei als „sozialer Anker“ eine sehr entscheidende Rolle. Doch was können Sportvereine und Sportverbände unternehmen? Was ist eigentlich Inklusion? Und warum ist ein Perspektivwechsel so wichtig? Diese Fragen sollen in diesem Beitrag thematisiert werden.

Inklusion stammt aus dem Lateinischen und heißt „einbeziehen“. Jeder soll am gesellschaftlichen Leben in allen Lebensbereichen, wie z. B. Schule, Arbeit oder Sport teilhaben können. Die „soziale Inklusion“ ist dann erfüllt, wenn jedes Individuum in der Gesellschaft vollständig akzeptiert wird und dadurch in jedem Lebensbereich teilnehmen bzw. teilhaben kann. Jeder Mensch wird als ein vollkommen gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft betrachtet (Behinderung.org, 2024). Wer möchte nicht als vollkommen gleichwertiges Mitglied in unserer Gesellschaft betrachtet werden? Doch leider gibt es noch zu viele Hindernisse und Hürden, sodass z. B. Menschen mit Behinderungen nicht vollumfänglich in unserer Gesellschaft inkludiert sind. So auch im Sport.

Im Sport hat man sich erstmals Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts über die Integration von beeinträchtigten Menschen Gedanken gemacht. Ursächlich dafür waren die beiden Weltkriege, die viele Kriegsverletzte und -versehrte in die Heimat spülte. Trotz ihrer Amputationen oder Behinderungen hatten auch sie das Bedürfnis, Sport zu treiben und sich zu bewegen. Diesem Recht kamen sie nach und so entstand der Versehrtensport. 1960 gab es dann die ersten Paralympics, also die Olympischen Spiele für Menschen mit Behinderungen, sodass Behindertensport bzw. Para Sport fester Bestandteil des Olympischen Gedankens wurde (DOSB, 2024). Heute zählt der Deutsche Behindertensportverband (DBS) ca. 6.300 Sportvereine mit 510.000 Mitglieder und gehört somit zu den weltgrößten Sportverbänden für Menschen mit Behinderungen (DBS, 2024).

Doch worauf fußen diese Zahlen und aktuellen Entwicklungen im Behindertensport?

UN-Behindertenrechtskonvention

Der Grund dafür ist die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die am 13. Dezember 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde und die wohl wichtigste Konvention für Menschen mit Behinderungen ist. Im März 2009 trat sie dann in Deutschland in Kraft und soll u. a. nach Artikel 30 der UN-BRK die „Teilhabe am kulturellen Leben sowie Erholung und Sport“ ermöglichen. Es ist das erste Mal gewesen, dass die Rechte für Menschen mit Behinderungen für die einzelnen Lebensbereiche konkretisiert und spezifiziert wurden aus Sicht der behinderten Menschen (BMAS, 2024).

Es geht dabei um konkrete Schwerpunkte wie, z. B. Barrierefreiheit, persönliche Mobilität, Gesundheit, Bildung, Teilhabe am politischen Leben und Gleichberechtigung. Grundlegend dafür ist der Gedanke der Inklusion (BMAS, 2024). Jeder Sportverein oder Sportverband, der sich mit dem Thema „Inklusion von Menschen mit Behinderungen“ auseinandersetzen möchte, sollte sich mit der UN-BRK beschäftigen. Gerade hinsichtlich Artikel 30 der UN-BRK müssen Sportvereine die genannten Schwerpunkte gewährleisten und verinnerlichen. Doch beschäftigen sich die deutschen Sportvereine überhaupt mit behinderten Menschen?

Inklusion im deutschen Sport

Eine wichtige Quelle für die Entwicklung im deutschen Sport ist der Sportentwicklungsbericht. Hierbei wird u. a. auch das Selbstverständnis von Sportvereinen für bestimmte Schwerpunkte erfasst. So ergab die Umfrage an den Sportvereinen, dass jeder 4. Sportverein sich überhaupt nicht für Menschen mit Behinderungen engagiert. Auch das Selbstverständnis der Sportvereine für ein Engagement ist im Vergleich zu den Werten von 2017 leicht gesunken (Breuer & Feiler, 2021). Ein negativer Trend, der sich in den nächsten Jahren hoffentlich nicht fortsetzt und gleichzeitig an die Sportvereine für mehr Engagement appelliert.

Positiv festzuhalten ist, dass bereits ca. 4.000 Sportvereine gemeinsame Sportangebote mit Behinderteneinrichtungen, wie z. B. der Lebenshilfe, erstellen und durchführen (Breuer & Feiler, 2021). Dies kann allerdings nur der Anfang sein. In Deutschland gibt es nämlich 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. Bei den Ü65-Jährigen ist sogar jede 4. Person schwerbehindert (Statistisches Bundesamt, 2022). Aufgrund des demografischen Wandels werden diese Zahlen vermutlich noch steigen. Demzufolge sollten deutsche Sportvereine ein großes Interesse daran haben, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen voranzutreiben.

Barrieren erkennen und abbauen

Wenn es um Behinderungen geht, stimmt der folgende Satz vollkommen: „Es gibt keine behinderten Menschen, sondern nur Umstände, die Menschen behindern.“ Menschen mit Behinderungen haben häufig hohe Hürden, um gesundheitliche Dienste und Einrichtungen zu erreichen. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist demzufolge erheblich eingeschränkt. Doch auch Menschen ohne Behinderungen haben ein großes Interesse daran, in eine Sporthalle zu kommen oder auf einem gepflasterten Weg zur Sportstätte laufen zu können.

Durch relativ einfache Maßnahmen können schon kleine Hürden beseitigt werden. Zum Beispiel könnte man eine einfache Sprache verwenden, damit Menschen mit Sprach- und Leseeinschränkungen jeden Text verstehen können. Oder man fügt auf eine Online-Seite die Funktion hinzu, dass man sich den Text vorsprechen lassen kann. Die größten Barrieren bestehen natürlich in Sportstätten, wenn es z. B. um die Belichtung oder allein schon dem Zugang zur Sportstätte geht. Am Besten ist es einfach, eine Begehung mit beeinträchtigten Menschen vor Ort zu machen und sich jedes Detail anzuschauen. Dadurch können gute Eindrücke gesammelt und die Bedarfe der Menschen mit Behinderung ermittelt werden.

Die Perspektive wechseln

Viele Dinge sind für Menschen ohne Behinderung ganz alltäglich und „normal“. Macht man einmal den Selbsttest und bindet sich die Augen zu oder sitzt in einem Rollstuhl, merkt man sofort die schwierigen Umstände, mit denen Menschen mit Behinderung leben müssen. Dieser Perspektivwechsel öffnet vielen die Augen und zeigt eindrucksvoll den dringenden Handlungsbedarf. Dies betrifft auch ganz klar den Sport. Solange strukturelle Probleme in den Sportvereinen nicht erkannt werden, können Menschen mit Behinderungen nicht am alltäglichen Breitensport teilnehmen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat vieles in Deutschland bewegt und viele für das Thema sensibilisiert. Doch auch 15 Jahre nach in Kraft treten der Konvention scheinen noch einige Verantwortliche des Sports Berührungsängste zu haben. Das ist überhaupt nicht Schlimmes und im Grunde genommen ganz normal. Deshalb gilt es, erste Kontakte mit z. B. Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen in der Nähe zu knüpfen und sich über das breite Themenfeld auszutauschen. Man muss nicht gleich eine Abteilung gründen. Man sollte sich dennoch damit beschäftigen, wie mehr beeinträchtigte Menschen den Weg zum Sport finden und was man als Sportverein dafür tun kann.

Inklusion ist mehr

Wenn es um Diskussionen rund um das Thema „Inklusion“ geht, haben wir oftmals nur Menschen mit Behinderungen im Kopf. Diese Gruppe ist aber nur ein Teil des großen Ganzen. Wir müssen uns auch mit weiteren Dimensionen wie Alter, Geschlecht, Ethnie, Religion oder sexuelle Orientierung beschäftigen (DOSB, 2024). In unserer Gesellschaft und im Sport sind leider viele dieser Gruppen nur Randgruppen und werden weder in das Sportsystem integriert noch inkludiert. Doch auch sie haben das Recht auf Teilhabe und sportlicher Betätigung, wie in Artikel 30 der UN-BRK beschrieben.

Viele Sportvereine haben noch bestimmte Ängste und offene Fragen. Wie erreichen wir Menschen mit Behinderungen? Wie können wir als Verein handeln? Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit behinderte Menschen bei uns Sport treiben können? Wichtige Fragen, auf denen die meisten Sportvereine keine Antworten finden und somit lieber die Finger vom Thema lassen. Inklusion ist wichtiger Bestandteil eines gemeinschaftlichen, sozialen Miteinanders und wird in den nächsten Jahren einen immer größer werdenden Stellenwert bekommen. Deshalb müssen Sportvereine für dieses wichtige Thema weiter sensibilisiert werden und Berührungsängste abgebaut, damit das Recht auf Teilhabe am Sport verwirklicht werden kann. Das gelingt allerdings nur in einem gemeinsamen Dialog zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen.

Quellen

Behinderung.org. (2024). Was ist Inklusion? Aufgerufen am 03.05.2024 unter https://behinderung.org/inklusion.htm

Breuer, C. & Feiler, S. (2021). Sportvereine in Deutschland: Ergebnisse aus der 8. Welle des Sportentwicklungsberichts. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2020-2022 – Teil 1. Aufgerufen am 02.05.2024 unter https://cdn.dosb.de/user_upload/Sportentwicklung/Dokumente/SEB/2022/SEB_Bundesbericht_W8_deutsch_bf.pdf

Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (2024). Behindertrechskonvention der Vereinten Nationen. Aufgerufen am 02.05.2024 unter https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Politik-fuer-Menschen-mit-Behinderungen/Behindertenrechtskonvention-der-Vereinten-Nationen/behindertenrechtskonvention-der-vereinten-nationen.html

Bundeszentrale für politische Bildung. (2022). Schwerbehinderte. Aufgerufen am 02.05.2024 unter https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61823/schwerbehinderte/

Deutscher Behindertensportverband und Nationales Paralympisches Komitee. (2024). Deutscher Behindertensportverband und Nationales Paralympisches Komitee e. V. Aufgerufen am 02.05.2024 unter https://www.dbs-npc.de/der-verband.html

Deutscher Olympischer Sportbund. (2024). Inklusion im und durch Sport. Aufgerufen am 02.05.2024 unter https://inklusion.dosb.de/ueber-inklusion#akkordeon-21566

Prütz, F. & Krause, L. (2022). Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland – Ausgewählte Indikatoren aus der Studie GEDA 2014/2015-EHIS. Robert-Koch-Institut. Aufgerufen am 02.05.2024 unter https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/Focus/JoHM_01_2022_Gesundheit_Menschen_mit_Beeintraechtigungen.pdf?__blob=publicationFile

Statistisches Bundesamt. (2022). 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen leben in Deutschland. Aufgerufen am 02.05.2024 unter https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/06/PD22_259_227.html abgerufen

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