
Niemand von uns möchte sich einsam fühlen. Doch leider ist das der Zustand vieler Menschen in Deutschland und auf der Welt in diesem Moment. Genau deshalb startete diesen Montag die Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“, organisiert vom Kompetenznetz Einsamkeit. Das Thema der Einsamkeit soll enttabuisiert werden, Menschen zusammenbringen und ihnen Unterstützungsangebote aufzeigen (Kompetenznetz Einsamkeit, 2024). Doch was ist eigentlich Einsamkeit? Welche gesundheitlichen Auswirkungen kann es auf uns Menschen haben? Und welche Rolle spielt der Sport in diesem Zusammenhang? Darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Zunächst einmal müssen wir klarstellen, dass Einsamkeit nichts mit Alleinsein zu tun hat. Wer alleine sein möchte, tut dies freiwillig. Einsamkeit hingegen ist ein ungewollter, unfreiwilliger Zustand, der oftmals schmerzhaft für den Betroffenen ist (Kompetenznetz Einsamkeit, 2024). Gerade ältere Menschen ab 75 Jahren, erwerbslose Menschen, Alleinerziehende, pflegende Angehörige oder Menschen mit Migrationshintergrund sind Risikogruppen und davon am meisten betroffen. Durch die Corona-Krise kam im ersten Pandemie-Jahr sogar noch eine weitere Gruppe hinzu. Fast jede dritte Person im Alter von 18 bis 29 Jahren fühlte sich in dieser Zeit einsam. Einsamkeit trifft also Personen in allen Altersgruppen. Prävention ist demzufolge wichtiger denn je (Dr. Schobin, Arriagada & Gibson-Kunze, 2024).
Im Folgenden schauen wir uns an, wie Einsamkeit überhaupt definiert wird und wie unsere Bundesregierung die Problematik angehen möchte. Außerdem wird die Rolle des Sports geklärt, woraus sich einige Schlussfolgerungen ergeben.
Was ist Einsamkeit?
Prof. Dr. Luhmann, eine der führenden deutschen Einsamkeitsforscher und –forscherinnen, definiert Einsamkeit in Anlehnung an Peplau/Perlman (1982) als „eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen.“ Dabei wird entweder die Qualität oder Quantität der sozialen Beziehungen als unzureichend empfunden. Außerdem kann zwischen „sozialer Einsamkeit“ und „emotionaler Einsamkeit“ unterschieden werden. Das heißt, zwischen Einbindung in ein soziales Netzwerk und die emotionale Qualität der Kontakte. Hinzu kommt die sogenannte „kulturelle Einsamkeit“, wenn man sich nicht einer Gesellschaft angehörig fühlt (Kompetenznetz Einsamkeit, 2024).
Wenn Menschen über einen längeren Zeitraum einsam sind, spricht man von der chronischen Einsamkeit. Diese ist gekennzeichnet durch einen dauerhaften Leidensdruck und ist mit einer Vielzahl von psychischen und physischen Erkrankungen verbunden. Man sagt, dass chronische Einsamkeit dieselbe Wirkung hat wie der tägliche Konsum von 15 Zigaretten. Die Folge sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und im schlimmsten Falle sogar Suizide (Kompetenznetz Einsamkeit, 2024). In Japan hat sich bei Frauen die Suizid-Rate im Laufe der Corona-Pandemie sogar um 70 % erhöht. Genau deshalb haben die Japaner das „Ministerium für Einsamkeit“ ins Leben gerufen, um gegen Einsamkeit aktiv vorzugehen (Warren, 2021).
Strategie gegen Einsamkeit
Auch die deutsche Bundesregierung hat erkannt, dass Einsamkeit ein immer größer werdendes Problem in unserer Gesellschaft ist. Aus diesem Grund veranstaltete man im Juni 2022 die Konferenz „Gemeinsam aus der Einsamkeit“. Daraus mündete die Strategie gegen Einsamkeit mit insgesamt fünf Zielen und vielen Maßnahmen. Die fünf Ziele lauten wie folgt:
- Die Öffentlichkeit wird sensibilisiert und das Thema Einsamkeit wird besprechbar gemacht.
- Das Wissen um die Vorbeugung und Linderung von Einsamkeit im professionellen Kontext und im Engagement wird gestärkt.
- Die Arbeit von Praktikerinnen und Praktikern in der Sozialen Arbeit und im Engagement zur Vorbeugung und Linderung von Einsamkeit wird gestärkt.
- Einsamkeit wird als gesamtgesellschaftliche Herausforderung verstanden und die Vorbeugung sowie Linderung von Einsamkeit sektoren- und bereichsübergreifend fokussiert.
- Menschen mit Einsamkeitserfahrungen erhalten niedrigschwellige und barrierefreie Zugänge zu bedürfnisorientierten Angeboten.
Einsamkeit ist nicht nur eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, sondern auch eine politische. Deshalb benötigt es eine intersektionale Bearbeitung (BMFSFJ, 2023). Das heißt, dass die Forschung mehrere Merkmale berücksichtigen muss. Wie sind die Unterschiede zwischen der Bevölkerung auf dem Land und in der Stadt? Wie sind die Unterschiede zwischen den Altersgruppen? Welche Auswirkungen hat der demografische Wandel auf das Thema? Wichtige Fragen, die beantwortet werden müssen.
Welche Rolle spielt der Sport?
Da wir das Ganze immer aus der Sicht des Sportes und der Gesundheit betrachten, stellt sich für uns die Frage, wie der Sport helfen kann? Die Bundesregierung sieht die Sportvereine in ihrer Strategie als ganz wichtige Akteure an. So tragen freiwilliges und bürgerschaftliches Engagement im Vereinsleben dazu bei, dass das soziale Miteinander und die soziale Teilhabe gestärkt werden. Menschen treffen sich in den Vereinen, interagieren zusammen und bilden ein soziales Netzwerk. Vor allem ältere Generationen werden eingebunden und können durch die Weitergabe ihrer langjährigen Erfahrungen Selbstwirksamkeit erfahren (BMFSFJ, 2023).
Unter anderem werden in der Strategie auch das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ aufgelistet sowie das Modellprojekt des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) „Verein(t) gegen Einsamkeit“ als aktuelle Maßnahmen. Während Integration durch Sport bereits seit vielen Jahren Sportorganisationen bei der Integration von z. B. Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt, besteht „Verein(t) gegen Einsamkeit“ erst seit Oktober 2022 und läuft im September 2024 wieder aus (BMFSFJ, 2023). In dieser Zeit werden bzw. wurden Aktionstage durchgeführt und Sportvereine in ihrer Entwicklung unterstützt (DOSB, 2024).
Mehr Unterstützung für den Sport
Laut Bundesregierung und Strategie aus der Einsamkeit spielt der Sport also eine wichtige Rolle. Allerdings hält sich die Förderung und Unterstützung für den Breitensport bezüglich dieser wichtigen Thematik in Grenzen. Das Modellprojekt des DOSB „Verein(t) gegen Einsamkeit“ läuft nach zwei Jahren wieder aus und das Programm „Integration durch Sport“ ist einigen Sportvereinen noch immer unbekannt. Das liegt natürlich an den ehrenamtlichen Strukturen in Sportorganisationen, sodass viele Vorstandsmitglieder keine Zeit für diese Programme haben.
Damit Sportvereine noch mehr Angebote schaffen können, um die betroffenen Personen aus der Einsamkeit zu holen, braucht es noch mehr Unterstützung von Bund, Länder und Kommunen. Sei es finanzielle Unterstützung oder Beratungsangebote, um Sportvereine für die Problematik zu sensibilisieren und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. Die Sportinfrastruktur muss ausgebaut werden, damit mehr Sport- und Bewegungsangebote entstehen können. Auch der Blick in die Betriebe lohnt sich. Betriebssport oder der Hinweis des Arbeitgebers auf örtliche Sportvereine können da schon kleine, aber wichtige Maßnahmen sein. Der Sport ist ein wichtiger Akteur, um Menschen aus der Einsamkeit zu holen. Entsprechend sollte er auch umfangreich gefördert werden.
Hilfe und Beratung bei Einsamkeit
Falls es Personen gibt, die sich wirklich einsam fühlen und diesen Artikel lesen, möchte ich abschließend noch auf unterschiedliche Hilfs- und Beratungsangebote verweisen:
Die TelefonSeelsorge Deutschland e.V. ist für jeden da und rund um die Uhr zu erreichen. Per Telefon 0800-1110111, 0800-1110222 oder 116 123 sowie per Mail und Chat unter online.telefonseelsorge.de kann das kostenlose Angebot genutzt werden.
Krisenchat.de bietet Kinder, Jugendliche und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren kostenfreie Beratung an. Über WhatsApp und SMS, ohne Anmeldung oder Registrierung sind ehrenamtliche Fachkräfte rund um die Uhr zu erreichen. Auch auf Ukrainisch oder Russisch.
Nummer gegen Kummer berät Kinder, Jugendliche und Eltern am Telefon und online. Für Kinder von Mo-Sa von 14-20 Uhr unter 116 111. Für Eltern von Mo-Fr zwischen 09-17 Uhr unter 0800 1110550.
Weitere Hilfsangebote sind auf der Homepage des Kompetenznetzes Einsamkeit unter folgenden Link zu erreichen: https://kompetenznetz-einsamkeit.de/angebote/angebote-fuer-betroffene.
Quellen:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). (2023). Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit. Aufgerufen am 19.06.2024 unter https://www.bmfsfj.de/resource/blob/234584/9c0557454d1156026525fe67061e292e/2023-strategie-gegen-einsamkeit-data.pdf
Deutscher Olympischer Sportbund. (2024). Verein(t) gegen Einsamkeit. Aufgerufen am 20.06.2024 unter https://gesundheit.dosb.de/angebote/vereint-gegen-einsamkeit
Dr. Schobin, J., Arriagada, C. & Gibson-Kunze, M. (2024). Einsamkeitsbarometer 2024. Langzeitentwicklung von Einsamkeit in Deutschland. Aufgerufen am 20.06.2024 unter https://www.bmfsfj.de/resource/blob/240528/5a00706c4e1d60528b4fed062e9debcc/einsamkeitsbarometer-2024-data.pdf
Kompetenznetz Einsamkeit. (2024). Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ 2024. Aufgerufen am 20.06.2024 unter https://kompetenznetz-einsamkeit.de/aktionswoche
Kompetenznetz Einsamkeit. (2024). Angebote bei Einsamkeit. Aufgerufen am 19.06.2024 unter https://kompetenznetz-einsamkeit.de/angebote/angebote-fuer-betroffene
Warren, K. (2021). Nach steigender Suizidrate: Japan ernennt einen „Minister für Einsamkeit“. Aufgerufen am 20.06.2024 unter https://www.businessinsider.de/wissenschaft/gesundheit/nach-steigender-suizidrate-japan-ernennt-minister-fuer-einsamkeit-a/
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