Sport ist nicht nur einer der beliebtesten Freizeitaktivitäten bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch das beliebteste Schulfach. Das meinen 59 % der Mädchen und 70 % der Jungen (dsj, 2024). Es liegt in unserer Natur, sich zu bewegen und aktiv in jungen Jahren die Welt zu entdecken. Leider ist es an unseren Schulen aber so, dass das Schulfach „Sport“ oft nur als Nebenfach angesehen wird und mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat. Welche das sind und was geändert werden müsste, soll in diesem Blogbeitrag thematisiert werden. Außerdem machen wir eine kleine Zeitreise und schauen auf die Entstehung des Sportunterrichts.
Das Schulfach „Sport“ ist so viel mehr, als das einfache Sporttreiben im schulischen Kontext. Es ist das einzige Fach, in dem die körperlich-leibliche Bildung im Mittelpunkt steht und so einen immensen Beitrag zur ganzheitlichen Entwicklungsförderung und zum Aufwachsen leistet. Kinder und Jugendliche lernen ihren Körper durch verschiedene Bewegungsformen kennen, wie z. B. hüpfen, springen, laufen, turnen, klettern oder sprinten. Sie erlernen spielerisch wichtige soziale Fähigkeiten, wie z. B. Teamwork oder Fairplay, und finden einen Ausgleich zum mental fordernden Schulalltag. Kurzum: Bewegung und Sport im Sozialraum „Schule“ sind einfach unverzichtbar für unseren Nachwuchs.
Nun ist es in Deutschland so, dass das Bildungssystem föderalistisch aufgebaut ist. Das heißt, dass jedes Bundesland eigenständig über Bildung und Schule entscheiden kann. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Land Brandenburg zum Beispiel betrachtet den Sportunterricht als körperlich-sportliche Grundbildung aus Sicht von sechs pädagogischen Perspektiven: Leistung, Gestaltung, Gesundheit, Kooperation, Körpererfahrung und Wagnis. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich nicht nur bewegen und handeln, sie sollen auch ihr Handeln reflektieren, darüber urteilen und mit den Mitschülern bzw. Mitschülerinnen interagieren (MBJS, 2024). Ein ganzheitlicher Bildungsprozess, den es so nur im Sportunterricht gibt und unseren Kindern und Jugendlichen Spaß macht.
So weit, so gut. Doch wie entstand eigentlich der Sportunterricht und welche Entwicklungen gab es in den letzten Jahrhunderten? Das wollen wir uns nun im Folgenden anschauen.
Vom Männerturnen zum Sportunterricht
Um die Frage der Entstehung zu beantworten, müssen wir ins 18. Jahrhundert zurückreisen. Der erste Wegbereiter für Bewegungserziehung war Johann Christoph Friedrich GutsMuths. 1793 schrieb er das Werk „Gymnastik für die Jugend“, welches auf den Gedanken beruht, Körperbildung in die Schule zu integrieren (Dober, o. D.). Viele Sportvereine sind noch heute nach ihm benannt, sodass sein Werk bis heute vertreten ist. Auch Friedrich Ludwig Jahn wird vielen als „Turnvater Jahn“ ein Begriff sein, der mit Turnen die Bildung des Charakters und Volkes fördern wollte. In Preußen wurde dann ab 1842 Turnen an allen öffentlichen Lehranstalten als notwendiger und unerlässlicher Bestandteil der männlichen Erziehung eingeführt (Wikipedia, 2024).
Erst mit Beginn der Weimarer Republik im Jahre 1918 durften auch Frauen am Turnunterricht teilnehmen. Diese Phase galt auch als sehr fortschrittlich, da Turnen zum Hauptfach wurde und täglich eine Turnstunde für Schüler und Schülerinnen Pflicht war. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Schulturnen wie bekannt politisch instrumentalisiert und zur „Leibeserziehung“ umformuliert. Dieser Begriff war in der BRD bis in die 1970er-Jahre festverankert, ehe dann der „Sportunterricht“ Einzug erhielt (Wikipedia, 2024). In der DDR hatte Sport eine große Bedeutung. Viele Schulsportveranstaltungen, wie z. B. die Spartakiaden, wurden durchgeführt, um dadurch auch Talente für die weiterführenden Kinder- und Jugendsportschulen zu sichten. Nach der Wiedervereinigung wurde der Sportunterricht weiter ausdifferenziert und so kamen neben den traditionellen Sportarten wie Leichtathletik oder Schwimmen auch Formen wie Fitness, Sportspiele oder Entspannungstechniken hinzu.
Der „Sportunterricht“ steckt in einer Krise
Leider sind die aktuellen Entwicklungen im Schulfach „Sport“ weniger erfreulich. Da wo Sportunterricht draufsteht, steckt nicht immer Sportunterricht drin bzw. ist schlimmsten Fall sogar nichts drin. Damit ist gemeint, dass entweder fachfremde Lehrkräfte den Sportunterricht leiten oder die Stunde sogar ausfällt aufgrund des Sportlehrkräftemangels. Zwei Szenarien, die leider nicht allzu selten an unseren Schulen sind. Darüber hinaus empfehlen der Deutsche Olympische Sportbund und die Kultusministerkonferenz drei Stunden Sport pro Woche. In Wirklichkeit haben unsere Jüngsten aber nur 2,39 Sportunterrichtsstunden, wie das Robert-Koch-Institut in einer Studie herausgefunden hat. Dabei haben Jugendliche an weiterführenden Schulen noch weniger Sportunterricht als Kinder an Grundschulen (RKI, 2020).
Hochgerechnet auf rund 36 Wochen in einem Schuljahr fallen somit 22 Sportstunden weg. Außerdem ist die fachfremde Aushilfe für Einzelsportstunden ein großes Problem. Tatsächlich haben 50 % der Sportlehrkräfte an Grundschulen keine sportfachliche Ausbildung. Hinzu kommen Quer- und Seiteneinsteiger, deren Kompetenzen noch wenig ausgereift sind oder im schlimmsten Falle nach wenigen Wochen bzw. Monaten wieder abspringen (dsj, 2024). All das sind keine Bedingungen, um präventiv gegen die Verhaltensauffälligkeiten und motorischen Schwächen von vielen Kindern und Jugendlichen nach der Corona-Pandemie vorzugehen. Ein Armutszeugnis für das deutsche Bildungssystem.
Viele Sportstätten in einem mangelhaften Zustand
Sport und Bewegung brauchen Räume. Ohne Raum können Sport und Bewegung nicht stattfinden. Somit ist eine Sporthalle oder ein Sportplatz unerlässlich für eine Schule und dem lehrplangerechten Unterricht. Diese sollten im besten Falle auch mit qualitativ hochwertigen Sportgeräten und –materialien ausgestattet sein. Schulen dürfen auch den Pausenhof nicht vernachlässigen, der für die Kinder und Jugendliche bewegungsfreundlich sein sollte. Gibt es genügend Fläche zur Bewegung? Gibt es Rückzugsorte zur Erholung und Entspannung? Ist altersgerechtes Mobiliar vorhanden? All das sind wichtige Fragen, mit denen sich Schulen und Ministerien auseinandersetzen müssen.
Leider ist die Realität oft eine andere. Marode Sporthallen, schlechte Ausstattung oder nicht funktionierende Heizungsanlagen. Die Zustände vieler Sportstätten sind in einem mangelhaften Zustand, worunter der Schulsport leidet und im schlimmsten Fall sogar kein Sport stattfindet. Leider werden auch viele Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert. Zum Glück haben viele kommunale Verantwortliche bereits erkannt, dass das ein schlechter Zug war und dadurch die Entwicklungsförderung der Kinder und Jugendlichen massiv geschadet wurde. Dennoch müssen sich die Kommunen und Schulen mehr mit dem Thema „Sportstättenentwicklung“ auseinandersetzen, um langfristig den Sportunterricht zu gewährleisten und Fehlinvestitionen zu vermeiden.
Die „Bewegte Schule“
Um ein Zeichen für mehr Engagement zu setzen, können Schulen nach Erfüllung von bestimmten Kriterien Gütesiegel erwerben. Viele Gütesiegel im Bereich Digitalisierung, Anti-Rassismus oder Berufsorientierung sind bereits bekannt. Auch im Bereich Sport und Gesundheit gibt es Gütesiegel, die sich in den letzten Jahren etabliert haben. Eines davon ist die „Bewegte Schule“, die vom Schweizer Urs Illi aus den 1980er-Jahren stammt und bei dem die Schule als „Stätte des Lebens und Lernens“ nach dem Prinzip „Lernen mit allen Sinnen“ betrachtet wird. Der Unterricht erfolgt bewegungs- und körperbezogen, der Schulraum (z. B. Pausenhof und Klassenräume) wird bewegungsfreundlich gestaltet und außerunterrichtliche Angebote (z. B. Arbeits- und Sportgemeinschaften) sorgen für ausreichende Bewegungsaktivitäten (INSPO, 2021).
Die Umsetzung der „Bewegten Schule“ ist Aufgabe der gesamten Schule und fester Bestandteil im Schulleben und Unterricht. So können u. a. auch Kooperationen mit Sportvereinen abgeschlossen werden, um außerunterrichtliche Sportangebote am Nachmittag anzubieten. In Brandenburg gibt es auch das Landesprogramm „Gute gesunde Schule“, das das Ziel der schulischen Gesundheitsförderung und Prävention verfolgt (MBJS, 2024). Schulen können mit dem Gütesiegel ein starkes Zeichen für die Gesundheitsförderung der Kinder und Jugendlichen setzen und als Vorbild für Prävention von Bewegungsmangel, Übergewicht oder überhöhten Medienkonsum auftreten.
Wie kann der Sportunterricht gestärkt werden?
Bereits 2020 hat die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sportlehrerverband (DSLV) und dem Fakultätentag Sportwissenschaft (FSW) ein Positionspapier zum Thema „Die Lehrer/innenbildung im Sport stärken“ veröffentlicht. Das Wichtigste im Sportunterricht ist immer der Sportlehrer oder die Sportlehrerin. Wir haben gesehen, wie viele fachfremde Lehrkräfte in den Sportstunden aktiv sind. Deshalb muss unbedingt die Ausbildung von Sportlehrkräften gestärkt werden, was Aufgabe der Ministieren, Universitäten und Hochschulen ist (dvs et. al., 2020).
Darüber hinaus sollten wir über die tägliche, für Schulen verpflichtende Sportstunde nachdenken. Damit würde man der Bewegungsempfehlung für Kinder und Jugendlichen nachkommen und die sportliche Aktivität fördern. Außerdem müssen die Schulsportanlagen in Zusammenarbeit mit Sportvereinen und der Kommune weiterentwickelt werden. Durch die Vernetzung können außerdem weitere Potenziale wie außerunterrichtliche Angebote in Kooperation mit den Vereinen oder Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen genutzt werden. Hinzu kommt das Gütesiegel „Gute gesunde Schule“ oder „Bewegte Schule“, wodurch die Schule ein klares Zeichen für mehr Gesundheit und Sport setzt. Viele Möglichkeiten, doch wissen wir um die Trägheit und Probleme des deutschen Bildungssystems.
Was macht uns bei all den Herausforderungen und Problemen eigentlich noch Hoffnung? Durch die großen politischen Fehler in der Corona-Pandemie, wie z. B. der Schließung der Sportanlagen und des nicht stattfindenden Sportunterrichts, wurde in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen vieles kaputt gemacht. Dies haben die meisten Politiker und Politikerinnen zum Glück erkannt. Auch viele Verantwortliche in den Schulen haben die Probleme festgehalten und entsprechende Gegenmaßnahmen ins Leben gerufen. Hinzu kommt der Fakt, dass ab 2026 für Eltern der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen gilt. Dadurch sind die Schulen aufgefordert, Ganztagsangebote anzubieten, wozu auch außerunterrichtliche Sportangebote dazugehören.
Der Sport an Schulen muss unbedingt gestärkt werden! Das müssen alle Akteure und Akteurinnen verstehen, fest in ihren Schulentwicklungsplänen verankern und umsetzen.
Quellen:
Deutsche Sportjugend. (2024). Schulsport. Aufgerufen am 25.04.2024 unter https://www.dsj.de/themen/bewegung-spiel-und-sport/sport-und-schule
Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, Deutschen Sportlehrerverband & Fakultätentag Sportwissenschaft. (2020). Die Lehrer/innenbildung im Sport stärken! Aufgerufen am 25.04.2024 unter https://www.dslv.de/wp-content/uploads/2020/09/2020_Lehrerbildung-im_-Fach-Sport-staerken_22092020.pdf
Dober, R. (o. D.). Johann Christoph Friedrich GutsMuths. Aufgerufen am 25.04.2024 unter http://www.sportpaedagogik-online.de/gutsmuths/gutsbio.html
Institut für kommunale Sportentwicklungsplanung Postdam. (2021). Masterplan Sport Stadt Dortmund. 2. Zwischenbericht. Aufgerufen am 25.04.2024 unter https://www.dortmund.de/dortmund/projekte/rathaus/verwaltung/sport-und-freizeitbetriebe/downloads/geschaeftsbereich-sport/zwischenbericht2_masterplan_sport.pdf
Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. (2024). Gute gesunde Schule-Landesprogramm. Aufgerufen am 25.04.2024 unter https://mbjs.brandenburg.de/bildung/gute-schule/gute-gesunde-schule/gute-gesunde-schule-landesprogramm.html
Ministerium für Bildung, Jugend und Sport. (2024). Sportunterricht in der Schule. Aufgerufen am 25.04.2024 unter https://mbjs.brandenburg.de/sport/schulsport/sportunterricht-in-der-schule.html#:~:text=In%20den%20Stundentafeln%20f%C3%BCr%20die,Entwicklungsf%C3%B6rderung%20der%20Sch%C3%BClerinnen%20und%20Sch%C3%BCler
Robert-Koch-Institut. (2020). Themenblatt: Sportliche Aktivität in der Schule. Aufgerufen am 25.04.2024 unter https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Adipositas_Monitoring/Verhalten/HTML_Themenblatt_Sport_Schule.html
Wikipedia. (2024). Sportunterricht. Aufgerufen am 25.04.2024 unter https://de.wikipedia.org/wiki/Sportunterricht#Beginn_der_Leibeserziehung_in_Deutschland

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