In Deutschland steigt seit Jahren die Lebenserwartung. Aufgrund verbesserter Lebensbedingungen, höherem Einkommen und der modernen medizinischen Möglichkeiten werden wir immer älter. 2020 sind Frauen im Schnitt 83,2 Jahre und Männer 78,3 Jahre alt geworden (Statistisches Bundesamt, 2024). Das heißt, wir leben ca. 26 Jahre länger als noch vor 100 Jahren. Mit dem Alter steigt aber auch der Anteil der Menschen mit einer chronischen Erkrankung, wie z.B. Diabetes Typ II oder Arthrose. Hinzu kommen die sozialen Ungleichheiten in Deutschland. Menschen mit niedrigen Einkommen leben bis zu 11 Jahre weniger als wohlhabende Menschen (Robert-Koch-Institut, 2010). Ein großes Problem im „Sozialstaat“ Deutschland.

Genau an diesem Punkt setzt die kommunale Gesundheitsförderung an. Sie beschäftigt sich mit der systematischen Planung und Herstellung gesundheitsfördernder Lebensbedingungen für die Bewohner und Bewohnerinnen einer Kommune. Das Ziel lautet dabei immer, die gesundheitliche Chancengerechtigkeit zu fördern. Mit anderen Worten: Jeder hat das Recht auf ein gesundes und selbstbestimmtes Leben. Damit das möglich wird, müssen unsere Lebensbedingungen gesundheitsfördernd sein. Sprich das Lernen in der Schule, der Alltag im Job und das Wohnen in den eigenen vier Wänden.

Klingt erst einmal selbstverständlich, doch so selbstverständlich ist es leider gar nicht. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind 70 % der Todesursachen unserem Lebensstil zu zuschreiben (Sagner & Schulz, 2012). Rauchen, Alkohol, schlechte Ernährung und zu hoher Medienkonsum machen uns krank und führen schneller zum Tod. Dieser Lebenstil ist vor allem durch unser Arbeits-, Schul- und Wohnumfeld bedingt. Um diesen krankhaften Verhaltensweisen entgegenzusteuern, müssen die Kommunen gerade an diesen Lebensorten präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen umgesetzen.

Im Folgenden möchte ich aufzeigen, wie diese Maßnahmen aussehen können und wie kommunale Gesundheitsförderung in jeder Kommune gelingen kann.

Setting-Ansatz verfolgen

Mit „Setting“ sind die oben genannten Lebenswelten gemeint, also z.B. Kindergärten, Grundschulen, Gymnasien, Kommunen, Betriebe oder Sportvereine. An diesen Orten findet unser Alltag statt und verbringen wir die meiste Zeit unseres Lebens. Diese Lebenswelten haben einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser körperliches, seelisches und psychisches Wohlbefinden. Demzufolge macht es doch viel Sinn, dort mit Prävention und Gesundheitsförderung anzusetzen und die Rahmenbedingungen vor Ort zu verbessern. Genau das verfolgt auch der Setting-Ansatz.

Wie sieht das am Ende aus? Gerade die Schwangerschaft und die ersten zehn Lebensjahre sind sehr wichtig für unsere Entwicklung. Deshalb ist es so wichtig, dass in Kitas und Grundschulen die Grundsteine für ein gesundes Leben gesetzt werden. Gesunde Ernährung, viel Bewegung oder Gesundheitsprojekte sollten an der Tagesordnung stehen. Ein weiteres Beispiel ist die Gesundheitsförderung in den Betrieben. Jeden Tag sind wir acht Stunden oder länger auf Arbeit. Wie fühle ich mich auf Arbeit? Wie sehen meine Tätigkeiten aus? Wie lang sind meine Sitz- oder Bildschirmzeiten? Das sind alles wichtige Fragen, um Gesundheitsprobleme zu erkennen und Krankheiten vorzubeugen.

Niedrigschwellige Angebote schaffen

Ein Angebot auf die Beine zu stellen, kostet oft viel Zeit, Aufwand und in den meisten Fällen Geld. In Kindergärten zum Beispiel müssten die Erzieher und Erzieherinnen erst einmal Zeit in die Ideenfindung stecken. Anschließend folgt die Durchführung und zu guter Letzt noch die Nachbereitung. Die ganzen Prozesse sind nicht nur zeitintensiv, sondern rauben auch viele Nerven. Deshalb braucht es mehr niedrigschwellige Angebote, die das Personal sofort aus dem Ärmel schütteln kann und für Kinder interessant sind. Dasselbe gilt natürlich auch für Jugendliche, Erwachsene und älteren Menschen.

Niedrigschwellige Angebote, die viel bewirken. Das können regelmäßige Spaziergänge sein, gemeinsames Kochen oder Tanzen. In ganz vielen Kindergärten wird das umgesetzt, doch wie sieht es in den Schulen und Betrieben aus? Auch da könnte man solche Angebote durchführen. Vielleicht können durch Kooperationen mit lokalen Sportvereinen weitere Sport- und Bewegungsangebote geschaffen werden. Am Ende muss es einfach bleiben, für jeden umsetzbar sein und natürlich Spaß machen.

Befähigung der Akteure vor Ort

Hast du schonmal etwas von „Empowerment“ gehört? Empowerment zielt darauf ab, Menschen zu befähigen, mittels ihren eigenen personalen und sozialen Ressourcen, ihr Leben und ihr Umfeld selbst zu gestalten (Brandes & Stark, 2021). Mit anderen Worten: Hilfe zur Selbsthilfe. Viele Akteure vor Ort wollen einen wichtigen Beitrag zu einer gesundheitsfördernden Kommune beitragen, doch fehlt ihnen das nötige Wissen oder die Zeit. Somit fehlen die eben genannten niedrigschwelligen Angebote oder Räume, die so wichtig für eine gesunde Kommune wären.

Empowerment bzw. das Befähigen von Menschen, Gruppen und Strukturen sollte deshalb fester Bestandteil in jeder Kommune werden. Doch wie kann man das erreichen? Möglich ist das durch Partizipation, der Mitentscheidung von Bürgerinnen und Bürger, z.B. in Netzwerken. Die Menschen tauschen sich aus, versuchen gemeinsam praktische Lösungen zu kreieren und vernetzen sich untereinander. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Netzwerk Gesunde Kinder“ in Brandenburg, welches genau diesen Ansatz verfolgt und dadurch schon viel Positives und Nachhaltiges geschaffen hat (Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V., 2024).

Good Practice-Kriterien beachten

Es gibt viele Kleinstädte oder Gemeinden, die gesundheitsfördernde Maßnahmen umsetzen wollen oder schon umgesetzt haben. Allerdings werden nicht allzu selten Projekte begonnen, die wenig Hand und Fuß haben. Entweder fehlt es an einem durchdachten Konzept, das Projekt wird nicht richtig evaluiert oder das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt hinten und vorne nicht. Am Ende wurden viel Zeit und Geld aus dem Fenster geworfen, ohne nachhaltige Ergebnisse.

Damit das mit euerm nächsten Gesundheitsangebot nicht passiert, hat der Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengerechtigkeit extra zwölf „Good Practice-Kriterien“ entwickelt. Einige Kriterien, wie z.B. Empowerment, Setting-Ansatz oder niedrigschwellige Arbeitsweisen, habe ich in diesem Artikel bereits erläutert. Gerne könnt ihr einen Blick auf die Seite www.gesundheitliche-chancengerechtigkeit.com werfen und die weiteren Punkte genau unter die Lupe nehmen (Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengerechtigkeit, 2024). Es lohnt sich und ist auf jeden Fall ratsam, wenn ihr zukünftig Gesundheitsprojekte durchführen wollt.

Make the healthy choice the easy choice

Macht die gesunde Wahl zur einfacheren Wahl, heißt dieser englische Satz übersetzt. Leider ist es doch oftmals so, dass ungesunde Ernährung im Supermarkt kostengünstiger ist als Obst oder Gemüse. Salzhaltige oder zuckerhaltige Snacks werden bevorzugter gegessen als Äpfel oder Radieschen. Auf der Couch Serien schauen, ist bequemer als an der frischen Luft einen Spaziergang zu machen. Die Beispiele zeigen, dass es momentan eher andersrum aussieht. Der ungesunde Weg ist also der einfachere Weg.

Damit sich das ändert, müssen sich viele Systeme und Strukturen ändern. In den vergangenen Jahren wurde bereits einiges getan. Werbeverbote für Zigaretten oder Alkohol, Rauchverbote in geschlossenen Räumen oder das Präventionsgesetz, welches die Krankenkassen zu mehr Präventionsangebote anhält. Doch im Sinne der gesundheitlichen und sozialen Chancengerechtigkeit müssen weitere kommunale Maßnahmen folgen. Jede Schule, jeder Betrieb und jede Kommunalverwaltung kann etwas für die Gesundheitsförderung der Bürgerinnen und Bürger tun. Wie vorhin schon angesprochen: Jeder hat das Recht auf ein gesundes und selbstbestimmtes Leben. Damit das gelebte Realität wird, sollte das auch jeder Mensch, jede Gruppe und jede Organisation berücksichtigen.

Quellen

Brandes, S. & Stark, W. (2021). Empowerment/Befähigung. Aufgerufen am 29.02.2024 unter https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/empowerment-befaehigung/

Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V. (2024). Das Netzwerk Gesunde Kinder. Aufgerufen am 29.09.2024 unter https://www.netzwerk-gesunde-kinder.de/

Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengerechtigkeit. (2024). Gute Praxis. Gute Praxis konkret. Aufgerufen am 29.02.2024 unter https://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/gesundheitsfoerderung-im-quartier/gute-praxis/

Robert-Koch-Institut. (2010). Armut und Gesundheit. Aufgerufen am 29.02.2024 unter https://www.gbe-bund.de/gbe/isgbe.information?p_uid=gast&p_aid=11269316&p_sprache=D&p_thema_id=13357&p_thema_id2=200&p_thema_id3=280&p_thema_id4=280

Sagner, M. & Schulz, K.-H. (2012). Lebenstil als Medizin. Aufgerufen am 29.02.2024 unter https://www.researchgate.net/publication/230671474_Lifestyle_as_medicine

Statistisches Bundesamt. (2024). Sterbefälle und Lebenserwartung. Aufgerufen am 29.02.2024 unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/_inhalt.html


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